Variable Fonts: Spielerei oder bald schon Standard?

Wer schon in den 1990ern mit Schriftarten wie Verdana oder Arial arbeitete, erinnert sich daran, wie lange es dauerte, bis es gelang, einheitliche Standards für deren Steuerung zu entwickeln. Zwar gab es auch damals schon variable Fonts wie die von Adobe entwickelten „Multiple Master Fonts“, doch scheiterte deren Einsatz daran, dass sie für den durchschnittlichen Nutzer viel zu kompliziert waren.

Seit 2016 aber ist wieder Bewegung in die Diskussion über und die Weiterentwicklung von flexibel anpassbaren Fonts gekommen. In selten gekannter Einmütigkeit entwickelten global Player wie Adobe, Apple und Microsoft ein neues OpenType-Format, das um die „OpenType Font Variationen“ erweitert wurde.

Grundsätzlich versteht man unter solchen Fonts Schriftformate, deren Datensätze in nur einer Datei gespeichert werden und die eine stufenlose Gestaltung der jeweiligen Schrift ermöglichen. Die Variationen existieren also nicht mehr als statische Alternativen nebeneinander, sondern eine Basisschrift, der Central Master, wird mit den jeweils gewünschten Eigenschaften variabel verknüpft.

Statt also wie bisher für jede Variation einer Schriftart eine eigene Datei installieren und anwenden zu müssen, lassen sich die benötigen Tools und Features in einer Datei zusammenfassen, was sich positiv auch auf die Ladezeiten und das responsive Webdesign auswirken soll.

Die Verknüpfung der Schrift mit den gewünschten Eigenschaften erfolgt über verschiedene Achsen, die jeweils Extremwerte einer Eigenschaft abbilden – beispielsweise von lighter bis bolder. Entlang dieser Achse können beispielsweise Variationen in Schriftstärke, Schriftbreite oder Konturen stufenlos interpoliert werden, sodass auch eine feinere Nuancierung als bisher möglich ist.

Adobe stellt bereits verschiedene Testversionen wie Acumin bereit, die einfach per Schieberegler bedienbar sind. Generell lassen sich die verschiedenen Schriftarten über CSS-Eigenschaft font-variation-settings steuern.

Anwendung und Einbindung

Variable Fonts erlauben es also, die Schriftarten selbst stufenlos zu definieren sowie die visuelle Darstellung an den jeweils verwendeten Browser und das Endgerät anzupassen. Damit bieten die sie besonders für ein responsives Webdesign hervorragende neue Möglichkeiten.

Auch das Erstellen von Schriftarten mit „Wiedererkennungswert“ wird für professionelle Anwender erleichtert. Genutzt werden hierfür CSS-Eigenschaften wie „font-weight“, „font-stretch“ und „font-style“, die Schriften selbst werden wie gewohnt über @font-face eingebunden. Dies geschieht in der Programmierung mithilfe des folgenden Codes: Nach der Einbindung über @font-face lassen sich HTML-Element und Eigenschaften definieren und per CSS-Eigenschaft font-variation-settings die jeweiligen Achsen steuern. Da die meisten variablen Fonts derzeit aber noch als TrueType-Schriften angeboten werden, empfiehlt es sich, diese vorab in Woff2 zu konvertieren, um tatsächlich in den Genuss einer Verringerung der Dateigrößen zu gelangen.

Variable Fonts: Spielerei oder bald schon Standard?


Variable Fonts: Spielerei oder bald schon Standard?

Variable Fonts – von der komplexen Technologie zu Everybody‘s Darling?

Die Entwicklung variabler Schriften, bei denen sich eine Basisschrift beliebig variieren lässt, birgt speziell für Web-Entwickler und Kreative beachtenswerte Vorteile. Allerdings ist sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch zu wenig erprobt und ausgereift, sodass sich kaum vorhersagen lässt, ob die Technologie einst massentauglich wird.

So lässt sich die erhoffte Verringerung von Dateigrößen und die Verkürzung von Ladezeiten bisher kaum realistisch beurteilen – da die Verwendung noch zu rudimentär ist. Beispielsweise kann die Eigenschaft „kursiv“ noch nicht im Basisdatensatz integriert werden. Bis alle benötigten Features verwendbar sind, bleibt also abzuwarten, wie sich die Dateien und Ladezeiten noch verändern.

Hinzu kommt, dass sich die Verwendung variabler Schriftsätze für Nutzer ohne entsprechendes Hintergrundwissen nach wie vor als äußerst komplex erweisen dürfte. Hier wird viel davon abhängen, wie die User Interfaces sich dieser Problematik zukünftig annehmen.

Unklar ist zudem, wie die Lizenzvergabe der Schriften erfolgen soll. In diesem Punkt gehen die Meinungen und Einschätzungen besonders weit auseinander, so warnen einige Experten bereits davor, dass große Unternehmen sich die Rechte an den Schrifttypen als Teil der von ihnen entwickelten Systeme sichern – und dadurch ganz neue Monopolstellungen entstehen.

Dass variable Fonts in absehbarer Zeit zu den Standards gehören, daran zweifelt heute kaum noch jemand. Dennoch lässt sich derzeit noch kein Trend daraus ablesen, eher verhaltene Skepsis und der Versuch, sich dem Thema zu nähern, ohne mit fliegenden Fahnen überzulaufen.

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