Neurodiversität in Agenturen: Unterschiedliche Denkweisen als Turbo

Neurodiversität – für manche ist es nur ein Modewort in bunten Diversity-Slidern. Für andere bedeutet es, das volle Potenzial unterschiedlicher Denkweisen zu nutzen. Genau hier kann Neurodiversität in Agenturen zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden.

Gerade in Agenturen – wo Tempo, Ideenreichtum und die Fähigkeit, mit ständig wechselnden Anforderungen umzugehen, über Erfolg oder Misserfolg entscheiden – ist dieser Vorteil besonders wertvoll. Wer einmal erlebt hat, wie ein neurodivergenter Kopf ein Problem angeht, versteht: Hier läuft ein ganz anderes Betriebssystem!

Wo andere noch damit beschäftigt sind, die Aufgabenstellung zu erfassen, sind im kreativen Kopf bereits mehrere Lösungswege durchgespielt. Komplett mit Alternativen, möglichen Risiken und einem groben Umsetzungsplan. Das wirkt von außen manchmal wie Chaos. Oder in Meetings wie Unaufmerksamkeit. Doch dieser parallele Denkprozess ist oft hocheffektiv – und liefert Ergebnisse, die überraschen.

Das Bild zeigt vier Personen nebeneinander, frontal zur Kamera. Es handelt sich um eine Frau mit kurzen dunklen Haaren und Brille, einen Mann mit dunklem Bart und ernstem Blick, eine junge Frau mit langen roten Haaren, die nachdenklich wirkt, sowie einen Mann mit Brille, der leicht zur Seite schaut und lächelt. Alle tragen schlichte, einfarbige Oberteile in Grau- und Beigetönen.
Über die Gesichter und Oberkörper sind halbtransparente, farbige Formen gelegt: ein türkisfarbenes Dreieck, pinkfarbene Kreise und ein gelbes Dreieck. Zusätzlich verlaufen feine Linienmuster wie ein Netzwerk über Teile des Bildes. Der Hintergrund ist hellgrau und schlicht.
Das Zusammenspiel aus realistischen Porträts und grafischen Formen vermittelt Vielfalt, unterschiedliche Denkweisen und Vernetzung.
Neurodiversität in Agenturen: unterschiedliche Denkweisen als Turbo

Das Gehirn im Turbomodus – Warum es anders arbeitet

Bei ADHS, einer der bekanntesten neurodiversen Ausprägungen, laufen die Prozesse im Gehirn nachweislich anders ab:

  • Der präfrontale Cortex – zuständig für Planung, Priorisierung und Selbstorganisation. Er arbeitet oft weniger aktiv. Aufgaben lassen sich schwer in eine feste Reihenfolge bringen. Die ToDo-Liste wirkt eher wie ein Aufgabenberg voller Prio 1-Tasks.
  • Das Belohnungssystem reagiert stark auf Neues, Dringendes oder besonders Spannendes. Schwächer auf Routinetätigkeiten. Ein dringender Kundenanruf kann sofortige Höchstleistung freisetzen, während eine wiederkehrende Excel-Tabelle wie eine Betonwand wirkt.
  • Dopamin, das „Motivationshormon“, wird unregelmäßiger ausgeschüttet. Das führt zu Leistungsspitzen im Hyperfokus – und Phasen, in denen selbst kleine Aufgaben wie eine unüberwindbare Hürde wirken.
  • Das Denken ist weniger linear: Statt Schritt für Schritt zu gehen, werden Themen vernetzt und parallel gedacht. Für Außenstehende wirkt das chaotisch – für kreative und komplexe Probleme kann es Gold wert sein.
  • Arbeitsgedächtnis & Ablenkbarkeit: Neue Reize können vorherige Gedanken verdrängen. Aufgaben „verschwinden“ scheinbar aus dem Kopf. Nicht aus Faulheit, sondern weil das Gehirn abrupt den Fokus verschiebt.

Diese Eigenschaften sind nicht pauschal gut oder schlecht. Ihr Wert hängt vom Kontext ab. In einer Umgebung, die Abwechslung, schnelle Anpassung und Kreativität erfordert – wie es in Agenturen oft der Fall ist – können neurodivergente Besonderheiten zu einem echten Wettbewerbsvorteil werden.

Arbeiten wie neurodivergentes Denken – Chaotisch, aber effizient

Wer neurodivergente Arbeit miterlebt, sieht selten einen linearen Ablauf. Konzeption und Umsetzung laufen parallel, Rückfragen werden vorweggenommen, während der Entwurf noch entsteht. Das ganze ist oft verbunden mit einem überraschenden Um-die-Ecke-Denken, das ungewöhnliche Lösungen ans Licht bringt.

Es ist wie eine Schachpartie auf mehreren Brettern:

  • Brett 1: der Eröffnungszug,
  • Brett 2: das Mittelspiel,
  • Brett 3: schon die Siegesvorbereitung,

alles gleichzeitig und ineinandergreifend.

Man kann mitten im Absatz aufhören, Wochen später zurückkehren und weiterschreiben. Als wäre keine Pause dazwischen gewesen. Das spart Einarbeitungszeit – besonders in Agenturen, wo Projekte oft über Monate oder Jahre laufen.

Stärken, die in Agenturen unschlagbar sein können

Kreatives und vernetztes Denken

Neurodivergente Köpfe entdecken oft Verbindungen, die anderen entgehen. Eine kleine Randbemerkung im Kundenbriefing kann zur großen Kampagnenidee oder Entwicklungsvorteil werden.

Geschwindigkeit unter Druck

Sobald die Zeit drängt, schalten viele ADHS-Gehirne in den Hochleistungsmodus. Während andere noch überlegen, steht schon ein grober Plan – und die Umsetzung läuft. Für Projektmanager oft ein kleiner Horror.

Hyperfokus

Wenn ein Thema fesselt, verschwinden Zeitgefühl und Ablenkung. Stunden- oder sogar manchmal tagelange Arbeit ohne richtige Pausen ist möglich. Oft mit Ergebnissen weit über dem Durchschnitt. In solchen Phasen kann die Produktivität der Arbeit von mehreren Personen gleichzeitig entsprechen.

Die Kehrseite – Und warum man sie ernst nehmen sollte

Eintönigkeit wirkt wie Sand im Getriebe. Monotone Routine-Aufgaben saugen Motivation und Energie in Rekordzeit. Prioritäten setzen fällt schwer, wenn alle Ideen gleich spannend wirken – oder wenn eine neue Aufgabe das bisherige Ziel verdrängt.

Besonders tückisch: Reizüberflutung und Unterbrechungen. Eine kurze Zwischenfrage kann einen Hyperfokus komplett beenden. Es dauert oft Stunden, um zurück in den gleichen Flow zu finden. Darum sind feste Zeitfenster für Unterbrechungen kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Wer das respektiert, schützt nicht nur die Leistung, sondern auch die Stimmung im Team.

Bei Deadlines ist besonders zu beachten: Sie sind oft zu abstrakt. Wer dazu neigt, sich in Details zu verlieren oder den Fokus zu wechseln, kommt schnell ins Schleudern. Klare Etappenziele mit Puffern und gezielten Anreizen helfen, das Belohnungssystem aktiv zu halten. Und ein Projektmanager, der regelmäßig den Fortschritt prüft, sorgt dafür, dass alles auf Kurs bleibt.

Abschalten – Damit der Turbo nicht überhitzt

ADHS kann sich wie ein Dauerlauf im Turbomodus anfühlen. Das treibt Projekte an – aber auch Menschen in die Erschöpfung.

Dabei ist wichtig zu verstehen: Von Menschen mit ADHS kann man nicht erwarten, dass sie acht Stunden am Stück mit gleichbleibender Intensität arbeiten. Die besondere Art der Informationsverarbeitung – schnell, vernetzt und oft in mehreren Gedankengängen gleichzeitig – verbraucht deutlich mehr Energie.

Häufig ist nach wenigen Stunden die Luft raus. Auch, wenn in dieser Zeit nicht selten das Pensum eines ganzen Arbeitstags geschafft wurde. Im Hyperfokus kann es sogar deutlich mehr sein. Danach ist Erholung unverzichtbar, um das Leistungsniveau zu halten.

Gerade hier liegt Verantwortung bei Arbeitgebern: Es reicht nicht, den Laptop symbolisch zuzuklappen. Es geht darum, aktive Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Erholung wirklich möglich ist.

Das bedeutet:

  • Erfolge feiern, damit das Belohnungssystem nicht nur durch Stress und Deadlines getriggert wird
  • Ruhezeiten und echte Pausen einplanen und vorgeben – nicht nur theoretisch, sondern praktisch durchsetzen
  • Urlaub respektieren: Keine E-Mails, keine Projektanfragen, keine „nur mal kurz“-Nachrichten in der Freizeit
  • Abschalten fördern, indem man klare Signale sendet, dass Nichtstun erlaubt und gewollt ist

Denn ein ADHS-Gehirn läuft oft auch nach Feierabend noch auf Hochtouren. Ohne bewusste Unterbrechungen kann es schwer sein, den inneren Motor runterzufahren. Wenn Arbeitgeber hier nicht aktiv gegensteuern, riskieren sie langfristig Überlastung und Burnout – und damit genau den Verlust der Stärken, die Neurodiversität in Agenturen so wertvoll machen.

Die Mischung macht’s – Neurodiverse und neurotypische Stärken kombinieren

Eine Agentur nur mit neurodivergenten Köpfen? Ideenexplosion und kreative Höchstleistung – aber Projekte könnten in ewigen Beta-Versionen verharren. Ohne sie? Strukturiert, planbar – aber manchmal ohne den Funken, der aus „gut“ ein „legendär“ macht. Die wahre Stärke liegt in der Kombination: Visionäre und Detailprofis, Schnellstarter und geduldige Umsetzer, kreative Denker und strukturierte Planer.

Neurodiversität gezielt einsetzen – So funktioniert’s in der Praxis

Der Schlüssel für Neurodiversität in Agenturen ist mehr als bloße Toleranz. Entscheidend ist, Arbeitsumgebungen so zu gestalten, dass Stärken zur Geltung kommen und Herausforderungen abgefedert werden.

Klare Ziele setzen und Fortschritt im Blick behalten

Was und bis wann muss eindeutig sein – am besten schriftlich festgehalten. Das Wie darf flexibel bleiben, damit kreative und unkonventionelle Wege Raum finden. Regelmäßige kurze Abstimmungen helfen, den Fortschritt zu sehen, Hürden früh zu erkennen und bei Bedarf rechtzeitig gegenzusteuern.

Flexible Arbeitszeiten

Statt fester 8-Stunden-Präsenzpflicht lieber Energie- und Konzentrationsphasen gezielt nutzen. In 4–5 Stunden Hyperfokus kann oft die Produktivität eines vollen Arbeitstags entstehen. Das sollte weder zu Gehaltskürzungen noch zu zusätzlichen Stunden führen – entscheidend ist das Ergebnis, nicht die abgesessene Zeit. Gleichzeitig gilt: Sehr lange Hyperfokus-Phasen brauchen Ausgleich, um Überlastung vorzubeugen.

Abwechslung schaffen

Um Monotonie zu vermeiden, sollten Dauerschleifen unterbrochen werden. Unterschiedliche Aufgaben sprechen nicht nur verschiedene Fähigkeiten an, sondern aktivieren auch unterschiedliche Denkweisen. Dadurch bleibt die Motivation erhalten, und zugleich wird der Fokus langfristig gestärkt.

Fokusschutz bieten

Unterbrechungen lassen sich bündeln und auf feste Zeitfenster legen. Dadurch können Mitarbeitende ungestört arbeiten, was wiederum dazu führt, dass in kürzerer Zeit oft deutlich mehr erreicht wird – insbesondere bei komplexen oder kreativen Aufgaben.

Rollen gezielt besetzen

Neurodivergente Talente dort einsetzen, wo Kreativität, Querdenken und flexible Problemlösungen gefragt sind. In solchen Bereichen können sie ihre besonderen Stärken ausspielen, statt in endlosen Prozesswiederholungen zu ermüden.

Struktur und Hilfsmittel nutzen

Visuelle Übersichten, klare Prioritätenlisten und digitale Tools helfen, Komplexität zu ordnen. Dadurch bleiben Projekte überschaubar, und der Kopf ist frei für die eigentliche Arbeit. Zudem lassen sich so Absprachen und Aufgaben besser koordinieren.

Klare Kommunikation pflegen

Direkte Absprachen, konstruktives Feedback und lösungsorientierte Gespräche erleichtern die Zusammenarbeit. Gerade in Teams mit unterschiedlichen Arbeits- und Denkstilen sorgt dies dafür, dass Missverständnisse reduziert werden und jeder seine Stärken einbringen kann.

Rückzugsräume ermöglichen

Es lohnt sich, Orte oder Möglichkeiten zu schaffen, um Reizüberflutung zu vermeiden und Energie wieder aufzuladen. Das kann beispielsweise ein ruhiger Raum sein, aber auch flexible Homeoffice-Tage, die individuell genutzt werden können.

So entsteht ein Rahmen, in dem neurodivergente Talente in Agenturen nicht nur mitarbeiten, sondern ihre besonderen Stärken voll entfalten können.

Fazit – Kein Bonus, sondern ein Wettbewerbsvorteil

Neurodiversität in Agenturen ist kein „Nice to have“. Sie ist ein strategischer Vorteil – wenn Strukturen da sind, die diese Stärken fördern und gleichzeitig Ausgleich schaffen. Statistisch haben übrigens rund 3–5 % der Erwachsenen ADHS. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass in Ihrem Team bereits jemand neurodivergent ist – vielleicht sogar ohne, dass die Person es weiß. Der Unterschied entsteht, wenn Sie diese Stärken bewusst erkennen und gezielt einsetzen.

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